Sonntag, 13. Oktober 2019

Nettikette oder was vermutlich nicht (eindeutig) geregelt ist


Wir Deutschen neigen gerne dazu, alles zu regeln, von der Wiege bis zur Bahre, vom Sinnvollen bis zum Sinnfreien. Und wenn wir das endlich geschafft haben, ist dies alles unantastbar: „Das war schon immer so! Das haben wir noch nie anders gemacht! Da könnte ja jeder kommen!“ Damit auch ja nichts anders läuft als es soll, versichern wir es Vollkasko ohne Selbstbeteiligung. So können wir uns auf ein geregeltes Dasein verlassen und beruhigt unser Hirn ausschalten.

Mit diesen Eigenschaften machen wir uns selbstredend nicht grundsätzlich beliebt. Sollten wir diese auch auf unser Hobby, zum Beispiel das Reisen mit dem Wohnmobil, übertragen, sorgen wir damit auch gleich für die Verbreitung unserer (Un-) Beliebtheit.

Nachfolgend machen wir uns ein paar Gedanken über alltägliche Dinge beim Reisen mit dem Wohnmobil. Rechtliche Aspekte wollen wir dabei als gegeben aber weitestgehend unkommentiert lassen und uns lieber auf das konzentrieren, was der Verstand, der Anstand, das Miteinander, die Nettikette versuchen, uns zu sagen.

Reiseplanung

Planung ist Ersatz des Zufalls durch den Irrtum.

Diese Lebensweisheit wird sowohl Winston Churchill als auch Albert Einstein zugesprochen. Beide haben sie allerdings nicht überlebt. Die Nachfahren des einen planen zurzeit sowohl den Aus- als auch den Eintritt und gleichzeitig den Verbleib in der EU mit allen Vorteilen für jede Alternative, die Nachteile tapfer ignorierend. Die Nachfahren des anderen fühlen sich deshalb sowohl räumlich als auch zeitlich relativ genervt, nicht nur theoretisch. Da hilft auch jene Relativitätstheorie nicht weiter, selbst wenn man sie verstanden haben sollte.

Reiseplanung für Womoreisen sind einfach schön. Man freut sich schon zuhause, was die Stimmung gerade in trüben Tagen ungemein hebt. Dabei stellen wir immer wieder fest, dass es meist nicht so kommt, wie man es geplant hat. Ist das schlimm? Wir finden nicht. Zwar sind die Gründe für Planänderungen nicht immer schön, aber gerade die Flexibilität macht das Reisen mit dem Wohnmobil doch aus – oder etwa nicht?

Park-, Stell-, Campingplatz

Egal wie flexibel wir reisen, irgendwann stellen sich die Fragen: Wo wollen wir halt machen? Wo wollen wir übernachten? Wie lange wollen wir bleiben?

In der Werbung wird dies als ganz einfach dargestellt. Das Womo kurvt über einsame, malerische Straßen zu einem ebenso einsamen, malerischen Platz in der Natur mit tollem Ausblick und selbst das Lagerfeuer lodert gemütlich und ganz selbstverständlich. Schöne heile Welt. Wer dieser Werbung glaubt, der glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten können.

Parkplatz

Nun hat sicher jeder schon mal etwas vom „Recht einer Nacht“ oder dem „Jedermannsrecht“ gehört oder gelesen. Hier die kurze, etwas vereinfachte Erläuterung: Das „Recht einer Nacht“ bedeutet nicht mehr, als dass man überall dort seine Fahrtüchtigkeit wieder herstellen darf, wo das Übernachten nicht verboten ist. Auf einem Autobahnparkplatz ist dies eher der Fall, auch wenn es nicht unbedingt ratsam ist, auf einem Supermarktparkplatz eher seltener. Um nicht verjagt zu werden oder gar ein Bußgeld zu riskieren, sollte man im Zweifel lieber vorher fragen – so man denn den Zuständigen findet. Ein „Platzhirsch“ ist da der falsche Ansprechpartner. Übrigens sollte man nicht glauben, dass ein Bierchen eine Übernachtung rechtfertigt. Selbstverschuldete Fahruntüchtigkeit schützt genauso wenig vor Strafe wie Unwissenheit.

Bleibt noch das „Jedermannsrecht“, dass hauptsächlich bei unseren nördlichen Nachbarn Usus ist und eigentlich das freie Zelten abseits in der Natur reglementiert. Auf Wohnmobile ist es nicht so einfach übertragbar, auch wenn unsere nördlichen Nachbarn sich da oft sehr tolerant zeigen - dankenswerterweise.

Parkplätze sollten also mit Bedacht gewählt werden, vor allem wenn man nicht nur eine kleine Pause machen will sondern auch übernachten möchte. Dort, wo Parkraum sowieso knapp ist, wird es schwieriger sein als auf einem gemischten Großparkplatz oder bei einem Schwimmbad, einem Fußballplatz oder ähnlichem. Auch die Sache mit der Ruhe und Sicherheit sollte man nicht außer Acht lassen. Schleuderspuren von Autoreifen und Glassplitter könnten auch noch auf eine weitere Nutzung hinweisen, meistens zu einer Uhrzeit, wo das Sandmännchen schon längst zugegen war.

Aber auf jeden Fall sollte klar sein: Wenn Verbotsschilder das Parken oder Übernachten für Womos verbieten oder das Womo andere Fahrzeuge behindern würde, und sei es nur, weil die gekennzeichneten Parkbuchten zu klein sind, sind solche Plätze tabu. Wenn es aber möglich ist, so sollte man aber auch nur parken und nicht campen. Ob Keile für das waagerechte Stehen und/oder geöffnete Fenster/Eingangstür, ausgefahrene Satellitenschüssel angebracht sind, sollte mit Fingerspitzengefühl entschieden werden.

Parkplätze/Stellplätze für Wohnmobile

Eindeutig besser geeignet als Parkplätze sind „Parkplätze/Stellplätze für Wohnmobile“ allemal. Doch auch hier steckt der Teufel im Detail. Oft wird auch zwischen diesen beiden Begriffen nicht wirklich unterschieden. Man muss schon genau hinschauen. Manchmal darf man auch dort nur tagsüber oder gar nur für eine kurze Zeit stehen, zum Beispiel zum Einkaufen. Selbst eine VE auf solch einem Platz erweitert das Erlaubte nicht automatisch. Zudem hält sich nicht jeder an die Kennzeichnung, so dass gerade solche meist schön großen Buchten gerne auch von Pkw-Fahrern genutzt werden. Klar ist das verboten. Nur nützt einem diese Erkenntnis nicht viel, wenn der Verantwortliche dieses Verhalten duldet. Hier sind wir solidarisch mit Mutter/Kind- und Behindertenparkplätzen. Auch wenn vielen nicht bewusst ist, dass weder eine Mutter ohne Kind, noch ein vielleicht geistig Kind gebliebener Erwachsener gemeint sind. Auch geistig Minderbemittelte erfüllen nicht unbedingt gleichzeitig das Kriterium gehbehindert.

Stellplatz

Es gibt aber zum Glück auch eine ganze Menge richtig schöne, toll ausgestattete Stellplätze, wirklich für Wohnmobile. Man erkennt sie einerseits daran, dass hier schon mehr in Richtung Campen erlaubt ist als auf einem schnöden Parkplatz, andererseits vor allem aber auch an der Gebührenstruktur.

Gebühren

Fangen wir mit dem Mammon an. So möge sich der erfahrene Wohnmobilist von dem Irrglauben lösen, mit dem Kauf seines teuren Teiles sei alles weitere schon abgegolten. Selbst oben angeführte einfache Parkplätze erheben schon Gebühren, die für Womos auch oft (nach oben versteht sich) angepasst sind. Das ist bei vielen Stellplätzen erst recht der Fall. Auch hier bitte Vorsicht vor der Werbung! Da gibt es mittelmäßige Plätze, die werben mit einer Stellplatzgebühr von (nehmen wir mal an) 5 Euro. Das gilt aber nur tagsüber von 6 bis 18 Uhr. Für die Nacht kommen noch einmal 7 Euro dazu. Wer jetzt mit beiden Füßen im wirklichen Leben steht, der merkt schon, da kommt noch was drauf. Logisch, wer nämlich nicht um 5:55 Uhr morgens den Platz verlassen will, muss nochmals 5 Euro drauflegen. Da waren es in der Summe 17 Euro für einen Stellplatz mit Übernachtung. Diese Preise kann man dann je nach Saison auch intensivieren. Besonders beliebt ist zusätzlich das Erheben von Kurtaxe. Manchmal wird die Bezeichnung leicht variieren. Der Effekt bleibt jedoch gleich. Es entstehen weitere Kosten. So empfiehlt es sich, die Kostenstruktur voher zu eruieren bevor hinterher die Kinnlade herunter klappt. Ich gebe zu, das ist leichter geschrieben als in der Realität umgesetzt. Natürlich habe ich auch im wahrsten Sinne des Wortes (schon öfters) mein Lehrgeld bezahlt. Dies mag als Trost dienen.

Anfahren eines Stellplatzes

Jetzt geht es aber endlich auf den Stellplatz – oder? Jein. In vielen Fällen fährt man einfach rauf, sucht sich einen schönen freien Platz und gut ist es. Leider nicht immer. Manchmal gibt es gar keinen freien Platz, weder schön noch häßlich. Da hilft nur nach Alternativen suchen. Herumkurven bis ein Platz frei wird, wäre die schlechteste Lösung. Manchmal ist da aber auch eine Schranke, ein Tor oder ein Platzwart im Weg. Man sollte weder das eine noch das oder den andere(n) ignorieren. Meist lässt sich dieses „Hindernis“ durch Bezahlung und/oder Anmeldung überwinden.

Anmeldung

Da wir das Thema Bezahlung (teilweise) schon hatten, widmen wir uns dem Thema Anmeldung. Einige Betreiber verzichten gänzlich auf Formalitäten, andere wollen nur die Platznummer wissen. Wieder andere gehen schon mehr ins Detail, sei es das Kennzeichen, Name und Anschrift, Nationalität, Beruf, Geburtsdatum, -ort und so weiter. Einige machen gleich eine Kopie der Ausweise (natürlich aller Insassen). Was davon sinnvoll oder gar vorgeschrieben ist, entzieht sich meiner Stufe der Intelligenz. Da es mal so und mal so gehandhabt wird, komme ich auch mit Logik nicht wirklich weiter. Ich habe mal einen Rechtsanwalt gefragt, welche Fragen ich bei einer Wohnungssuche beantworten müsse. Er antwortete, es käme darauf an, wie dringend ich die Wohnung haben wolle. Zurück zur Anmeldung: Wenn ich rauf will, füge ich mich den Voraussetzungen – oder ich lass es ganz bleiben.

Wahl der Parzelle

Nun kommt die Suche nach dem richtigen Platz auf dem Platz. Voraussetzung ist natürlich, man hat die Wahl. Dann hat man auch die Qual der Wahl. Erstes Kriterium sollte die eigene Sicherheit sein. Wenn etwa ein Sturm im Anzug sein sollte, ist ein Platz unter oder neben einem altersschwachen Baum nicht die beste Wahl. Apropos Bäume: Durchfahrtshöhe, Satellitenempfang, ungewollter Schatten für die Solarpanele, Dreck und Ungeziefer. Neben einem Bolzplatz könnte rundes Leder für ungewollte Frischluft im Womofenster oder Beulen im Blech sorgen. In weichen Untergrund kann man zwar sehr leicht Erdnägel (wofür auch immer) schlagen, ein weiteres Fortkommen ist dann aber aufgrund des Eigengewichtes nicht immer gewährleistet. Wie wir einmal in Norwegen erfahren haben, kann man auch während eines heißen Sommertages sogar in Teer einsinken und festkleben. Allzu schräg sollte der Platz auch nicht sein, sonst fällt trotz Ausgleichskeile irgendwann die Bierflasche um, der Kühlschrank arbeitet nicht richtig und schlimmstenfalls rollt man aus dem Bett heraus, was bei einem Bett im Alkoven fatal sein kann. Schließlich empfiehlt sich eine kleine Musterung der potenziellen Nachbarn. Passen wir besser zu Doppelfeinripp oder zum Smoking, will die Riesenbulldogge mit unserem Meerschweinchen spielen oder hat er es zum Fressen gern? Ist dann die Entscheidung gefallen, geht es darum, wie rum rein? Über Sonnenstand und Richtung zum selben haben wir uns schon einmal ausgelassen. Hier soll aber eine erste Überlegung das Vorbild der Nachbarn sein. Schließlich haben die sich diese Gedanken schon vor uns gemacht. Also, wenn alle Nachbarn vorwärts respektive rückwärts einparken, sollten wir das auch tun – fürs erste zumindest. Solange wir uns nicht zu häuslich einrichten, ist eine Änderung fast immer möglich.

Grundstücksgrenze

Jetzt gleich mal eine Bitte: Nicht zu nah an die eigenen „Grundstücksgrenzen“ fahren. Kein Nachbar ist begeistert, wenn er beim Kaffee vor seinem Fahrzeug sitzt und der Nebenan über „seine“ Parzelle latscht, um sein Klo und/oder den Abwassertank zu leeren. Auch das eigenmächtige Versetzen des nachbarlichen Wäschetrockners, um an die Fahrradgarage heran zu kommen, ist nicht sehr beliebt. Erdnägel und Abspannleinen als Stolperfallen beim Nachbarn einzupflocken ist auch nicht gerade ein feiner Zug.

Abwasser

Apropos Entsorgung Abwasser. Einige Wohnmobilisten wissen es wohl nicht. Es gibt einen Absperrhahn, den man auch schließen kann. Manche sind aber auch einfach im wahrsten Sinne des Wortes stinkfaul. Sie lassen diesen Hahn grundsätzlich offen. Dann tröpfelt es kontinuierlich. Entweder die Soße läuft bei hartem Untergrund quer über den Platz, oder sie versickert bei weichem Untergrund allmählich. Abgesehen davon, dass beide Alternativen verboten sind, schaut es gräßlich aus und es stinkt, je nach Windrichtung und sommerlicher Wärme umso mehr. Meistens ist diese Öffnung nicht vor der Haustür des Verursachers, denn dann würde er sie wohl schließen, sondern in Richtung des oder der Nachbarn. Übrigens hilft ein Eimer oder ein sonstiges Auffangbehältnis nur optisch. Der Mief bleibt. Es gibt da auch findige Artgenossen mit schon fast kriminellem Einfallsreichtum. Ein Loch im Eimer (unten, oben ist sowieso ein großes) erspart das manuelle Leeren desselben. Ich habe sogar schon gesehen, dass jemand sein Abwasser mittels Abwasserschlauch vom Abwasserhahn bis hinters Womo geleitet hat. Das Ergebnis war dann um fünf Meter versetzt, sonst aber identisch.

Müll

Ähnlich dem Abwasser, verhält es sich mit dem Müll. Die Müllbehälter innerhalb des Womos sind fast grundsätzlich winzig. Man kann sich ein größeres Behältnis anschaffen oder auch den Müllsack außen deponieren, liegend oder hängend, offen oder geschlossen. Liegend ist bei Wind Risiko behaftet, weil er sich dann vielleicht selbständig entfernt, eventuell zum Nachbarn. Ich will mal nicht unterstellen, dass dieser Effekt beabsichtigt ist. Offen geht meistens auch nicht, weil je nach Inhalt die gleiche Problematik wie bei Abwasser auftaucht und zudem mehr oder weniger lästiges Ungeziefer oder auch größeres Getier angelockt wird, was auch wieder den automatischen Verteilmechanismus fördert. Geschlossen ist immer besser, vor allem, wenn das Behältnis auch widerstandsfähig ist. Schließlich sollte der ästhetische Aspekt beachtet werden. Falls jemand Müllsäcke für Haute Couture hält, sollte er sich überlegen, ob er sein Womo nicht gegen einen Müllwagen eintauschen mag.

Fahren oder Laufen

Natürlich kann man das Abwasserproblem (Müll dito) auch lösen, indem man regelmäßig auf die VE fährt, um dort auch gleichzeitig Frischwasser zu tanken und das Klo zu entleeren. Diese Taktik ist wohl auf einem Stellplatz noch eher angemessen als auf einem Campingplatz. Da die Übergänge Stell-/Campingplatz jedoch immer fließender werden, sollte auch das Fingerspitzengefühl und der gesunde Menschenverstand (so vorhanden) zu Rate gezogen werden. Meine ganz persönliche Meinung: Jeder Gang macht schlank. (Ich müsste noch viel mehr gehen!)

Vorgarten

Die Jugend zieht es fast ausschließlich vom Land in die Stadt, Landflucht. Dort ist mehr los. Das fortgeschrittene Lebensalter will weniger Stress. Es geht nun zurück aufs Land, Stadtflucht. Man beachte, dass im Wort „Flucht“ schon das Wort „Fluch“ steckt. Den schönen Garten auf dem Land wünschen sich viele, bis sie erkennen, wieviel Arbeit damit verbunden sein kann. So bietet es sich doch förmlich an, auf einem Stellplatz einen vorübergehenden, quasi ambulanten Vorgarten einzurichten. So lange er Spaß macht, ist es gut. Wenn er keinen Spaß mehr macht, zieht man weiter. Unter Vorgarten kann man auch vieles verstehen. Das fängt bei einem simplen Stühlchen für den Mittagsschlaf an und hört bei einem gepflegten Schrebergarten mit Gartenzwergen noch lange nicht auf. Meine Meinung: Ein Wohnmobil, auch Reisemobil genannt, ist per se etwas Mobiles. Ein Garten ist etwas Stationäres. Wer also sein Herzblut in einem Garten fließen sieht, sollte überlegen, ob ein Dauerplatz auf einem Campingplatz oder tatstächlich ein Schrebergarten nicht das Richtigere für ihn ist.